PORTRÄT
Ein Kreis schliesst sich: Nach Aarau 2013 (unten) hatte Joël Mall auch 2024 mit Servette einen Pokal zu bejubeln – dazwischen ist so einiges passiert.
MANN, OH MALL, WAS FÜR EIN MÄRCHEN
Als Joël Mall im Sommer 2018 auf die Ferieninsel Zypern wechselte, konnte niemand ahnen, dass er sich sechs Jahre später zypriotischer Nationalspieler und Schweizer Cupsieger nennen würde. Eine Zeitreise durch die Höhen und Tiefen der turbulenten Karriere des heute 33-jährigen Aargauers. Text: Jonas Manouk Fotos: Gerry Frei, Alexander Wagner, Serve¥e FC, ZVG
Der 99. Schweizer Cupfinal zwischen Servette und Lugano hielt seine ganz spezielle Schlusspointe bereit: 119 Minuten lang passiert praktisch nichts in diesem wenig berauschenden Endspiel. Doch dann hat René Weiler eine Eingebung. Der Trainer der Genfer erinnert sich ans Eu- ropa-League-Out Mitte März im tschechischen Pilsen: Schon damals hatte er die Idee, fürs Penaltyschiessen die Goalies zu tauschen und Joël Mall für Jérémy Frick einzuwechseln. Aber er verzichtete – Servette schied aus. Knapp drei Monate später vertraut Weiler auf seine Intui- tion – und wechselt in der 119. Minute tatsächlich Mall ein! «Ich ahnte es bereits, als das Penaltyschiessen näher rückte», betont der Torhüter, um schmunzelnd anzufügen: «Schön, hat der Trainer diesmal auf sein Bauchgefühl gehört. Als er in Pilsen auf den Wechsel verzich- tet hatte und ich kurz darauf in der zypriotischen Nationalmannschaft auch noch zwei Penaltys parieren konnte, merkte man ihm schon an, dass es ihn fuchste.» Kurz vor der Penalty-Lotterie braucht Mall bereits sämtliche seiner 197 Zentimeter, um das Geschoss von Luganos Aliseda noch um den
Pfosten zu lenken. «Ich hatte mich nicht mal richtig aufgewärmt», sagt ein aufgewühlter Mall nach Spielschluss ins SRF-Mikrofon. Doch auch kalt rettet er seine Grenats ins Penaltyschiessen, wo er zum grossen Helden avanciert: Drei Lugano-Matchball-Penaltys muss Mall entschärfen, zweimal gelingt es ihm mirakulös und ein- mal hilft ihm Jonathan Sabattini, der das Leder in den zweiten Rang drischt. Nach dem Cupfinal war der «Blick» komplett aus dem Häuschen und geizte nicht mit Superlativen: «Was war das für ein Cupfinal? Was für ein Penaltyschiessen? Was für ein Mall-Märchen? Mann, oh Mall – daran werden wir uns noch lange erinnern!» Mall selber sagt: «Den Fussball erzählt man ja immer von hinten nach vor- ne. Wenn ich Alisedas Schuss reinlasse, geht das Experiment in die Hose und wir stehen ganz schön dumm da. Jetzt fühlt sich die Ge- schichte aber fast schon wie ein kitschiges Märchen an.» Da es in diesem denkwürdigen Cupfinal mit 24 (!) Penaltys zu einem neuen Rekord in der Schweizer Cupgeschichte kommt, muss auch Mall antreten – und verwandelt souverän. «Ich hatte zuvor doch noch nie in
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